Meine Frau fährt viel und gern, aber lieber nur kurze Strecken. Ich bin 75, fahre gern, aber nicht mehr als 200 km/Radius, darüber hinaus per Bahn. Der aus meiner Sicht vielleicht letzte Kauf eines neuen Autos stand an. Weil wir uns schon immer für unseren ökologischen Fußabdruck interessiert haben, sollte es nun ein Elektroauto sein. Das lag vor allem an der Eindeutigkeit der Berichterstattung – die sich allerdings als Einseitigkeit erwies, sobald ich begann, mich mit der Thematik zu beschäftigen.
Ich spielte ein paar Fälle durch, wie es wäre es, von unserem Standort Hannover aus Besuche bei Freunden in Hamburg und Hamm zu machen. Spontan möglich wäre das nicht, selbst mit Planung nicht einfach, da in deren Nähe Ladestationen weder jetzt noch in Zukunft vorstellbar sind.
Der Kontakt mit unserer Hausverwaltung wegen einer Wallbox ergab: In den jeweiligen Bereichen der Tiefgarage können zählerabhängig nur maximal drei Ladeboxen verkraftet werden. Bei insgesamt 60 Wohnungen nicht gerade üppig. Alles weitere hinge dann von der Eigentümerversammlung ab. Wer lässt sich darauf ein?
Bei den Elektroautos tauchten neue Probleme auf:
- Rohstoffabhängigkeit: Es werden je nach Technologie große Mengen an Rohstoffen für Batterien benötigt (z. B. Kobalt); aus Ländern, von denen wir lieber nicht abhängig sein sollten (z. B. Kongo / Kinderarbeit).
- Ohne Zahlen zu kennen, wurde mir klar, dass es sich um Berge von Batterien handeln würde, die gebraucht werden. Wo bleiben die später? Es gibt vage Vorstellungen über die weitere Nutzung, aber Millionen Batterien müssen irgendwann schlicht entsorgt werden. Verfrachtet man die dann einfach wieder nach Afrika, wo jetzt schon große Mengen unseres Plastikabfalls landen?
- Warum wird bei Elektromobilität einfach von Klimaneutralität ausgegangen, wobei offenbar nur die Fahrten mit dem E-Auto betrachtet werden? Was aber bleibt von der Illusion, wenn man an den Kohleausstieg denkt, der erst 2038 kommen soll? Und wieso werden die Lasten nicht eingerechnet, die der Umwelt im Zuge der Produktion der Autos (und Batterien) entstehen?
- Der Wert der Batterie in Relation zum Kaufpreis des Autos ist enorm. Dabei ist zu bedenken, dass die Lebensdauer der Batterie begrenzt sein dürfte. Sie wird (hoffentlich) nicht plötzlich versagen, aber die Reichweite des Fahrzeuges wird allmählich deutlich nachlassen.
CNG/Biogas als Alternative
Mein Schwiegersohn hat auf dem großen Dach Solarzellen, produziert also seinen eigenen Strom und hat als Zweitwagen für regelmäßige Fahrten (zur Arbeit) einen Stromer, das ist relativ überzeugend. Als ich ihn mit den Bedenken für unseren Kauf konfrontierte, reagierte er gelassen – und verwies mich sogleich auf CNG. Er schien darüber viel zu wissen.
Ich machte mich dann auch selbst an die Recherche – und stieß auf für mich Überraschendes:
- Eine Umweltbilanz, die ich nie erwartet hätte (inzwischen gibt es eine Studie des ADAC, die Erdgasfahrzeuge auf Platz 1 setzt)
- Serienfahrzeuge verschiedener Größe und Leistung vorhanden. Erstaunlich und verblüffend: Die Hersteller machen kaum oder gar keine Werbung für CNG-Autos. Das ist mir völlig unverständlich.
- Ausreichendes Tankstellennetz (mehr als 850, etliche mit Biogas) – wir haben eine ganz in der Nähe.
- Mit Biogas fährt man sogar annähernd klimaneutral.
- Keine zusätzliche Abhängigkeiten, Erdgas/Biogas steht praktisch unbegrenzt zur Verfügung. Leider ist noch längst nicht überall Biogas nutzbar. Würde unsere Politik nicht so tief schlafen, hätte sie längst die Möglichkeiten von Biogas entdeckt und würde diese entschlossen fördern.
Statt die Abhängigkeit von Rohstoffen aus dem Ausland noch auszuweiten, könnte der heimischen Landwirtschaft ein ganz neuer Markt erschlossen werden. Dabei wäre auch noch zu bedenken, dass Gülle nicht im Übermaß auf die Äcker und Felder verbracht werden müsste, wo es dem Grundwasser (und uns!) erheblichen Schaden zufügt. Stattdessen könnte es sozusagen in den Tank.
Wichtig wäre jedoch, dass bei der Erzeugung von Biogas keine Energiepflanzen eingesetzt werden. Damit würde der Gedanke vom umweltfreundlichen Stoff ad absurdum geführt. Somit kämen nur Rest- und Abfallstoffe der Landwirtschaft in Betracht.
CNG-Club-Mitglied zu werden war mir deshalb wichtig, weil das Thema CNG/Biogas viel mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit benötigt. Ein Beispiel: Als ich tankte, stand ein junger Mann abseits und sah fragend aus. Ich sprach ihn an, er war neugierig, hatte aber absolut keine Ahnung, was es mit dieser merkwürdigen Tanksäule auf sich hatte. Ich verwickelte ihn in ein Gespräch, das auf großes Interesse stieß...
Ich kann mir das "Schweigen im Walde", was dieses enorm wichtige Thema anbelangt, nicht erklären. Als ich mich für CNG-Autos zu interessieren begann, war Spürsinn nötig. Bis dahin hatte ich noch niemals Werbung dafür gesehen - das ist inzwischen kaum besser geworden.
Kirchenverwaltungsoberrat i.R. Karl Willems †
Nachruf
Karl Willems hat sich vor der Entscheidung für ein neues Auto viele und weitreichende Gedanken gemacht. Sie führten ihn von dem ursprünglich geplanten Elektroauto schließlich zum CNG-Antrieb – im Sommer 2019 stand ein Seat Arona TGI vor der Tür. Und die Mitgliedschaft im CNG-Club war eine Selbstverständlichkeit.
Es war ihm wichtig, auch anderen seine Erfahrungen und die Begeisterung für den CNG-Antrieb mitzuteilen und er entschloss sich nach kurzem Austausch mit Birgit Maria Wöber zu einem Blogbeitrag. Den Text lieferte er uns im September 2019 und bat um Veröffentlichung erst 2020. Doch im April 2020 traf seine Frau und ihn die Covid-19-Infektion. Trotz sofortiger Intensivbehandlung im Krankenhaus und ohne Vorerkrankung starb Karl Willems fünf Wochen darauf. In Absprache mit Frau Willems, bei der die Krankheit glücklicherweise leicht verlief, dürfen wir seinen Bericht nun posthum veröffentlichen. Wir sind sehr bestürzt über den Tod unseres Mitglieds und möchten ihm mit der Veröffentlichung die Ehre erweisen. Seiner Frau und Familie wünschen wir viel Kraft in der schweren Zeit.
Auf der Online-Gedenkseite gemeinsam-trauern.de besteht die Möglichkeit, Erinnerungen zu teilen und gemeinsam lebendig zu halten.