CNG-Club Partner Claus Sauter von der Verbio AG : Dieselfahrverbote und verfehlte Klimaschutzziele: die Politik hat die Verkehrswende in Deutschland längst verspielt Das Bundesverwaltungsgericht hat gesprochen und das Gespenst „Dieselfahrverbote“ freigelassen. Nun spukt es durch die Republik und verbreitet Angst und Schrecken. Es folgten wie immer große Reden und Schuldzuweisungen. Zum Buhmann wurde die deutsche Automobilindustrie erklärt und die Bundesumweltministerin a. D., Barbara Hendricks, hat den Schwarzen Peter einfach weitergeschoben. Ohne Frage haben sich die deutschen Autobauer in Sachen Dieselskandal nicht mit Ruhm bekleckert, aber ich behaupte, alles in allem hat die Politik die Verkehrswende in Deutschland längst verspielt. Das lässt sich auch mit Trickserei nicht mehr schönrechnen.
Das Versagen der Bundesregierung zeichnete sich bereits 2014 bei der Ausarbeitung der THG-Quotenregelung ab: Schon damals wies die Biokraftstoffindustrie darauf hin, dass die Quote viel zu niedrig angesetzt wird und die vorhandenen Möglichkeiten zur Treibhausgasreduktion durch Biokraftstoffe damit bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Wir könnten schon heute eine THG-Quote von 11 Prozent erreichen, wenn wir uns in den letzten Jahren in einem stabilen Rechtsrahmen bewegt hätten und konstante Investitionen möglich gewesen wären. Also wo bitteschön liegt dann die Herausforderung, eine Quote von aktuell 4 Prozent zu erfüllen? Und weil die Anforderungen zu niedrig sind, schütteln sich die Mineralölkonzerne die Erfüllung der THG-Quote quasi aus ihrem Ärmel und die Bundesregierung verzichtete auf 16 Mio. Tonnen CO2-Einsparung in den letzten 10 Jahren.(1) Damit nicht genug. Im Dezember 2017 gibt die alte Bundesregierung mit der Verabschiedung der 38. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetztes (38. BlmSchV) noch einmal richtig Gas: Nur leider in die falsche Richtung! Seit Inkrafttreten der Verordnung am 01.01.2018 können nun auch fossiles Erdgas und Autogas zur Erfüllung der Treibhausgasreduktionsquote (THG-Quote) angerechnet werden.(2) Die Politik hat uns einen gehörigen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Die Verordnung läuft völlig konträr zum Zeitgeist, denn sie setzt ein klares Signal gegen den Klimaschutz. Sie fördert fossile Kraftstoffe. Fake-Umweltschutz nenne ich das!
Die 38. BImSchV hat Biomethan aus Reststoffen als alternativem Kraftstoff der zweiten Generation praktisch von heute auf morgen das Geschäftsmodell entzogen. Ein bezahlbarer und sauberer Kraftstoff in Bezug auf CO2-Bilanz, Feinstaub und Stickoxide wird brutal aus dem Markt gedrängt. Noch im November 2017 verkündete die damalige Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks vor dem Deutschen Bundestag(3): „Ein zentraler Teil des notwendigen Weges hin zu einer treibhausgasneutralen Welt ist der Ausstieg aus Kohle, aus Öl und aus fossilem Gas.“ Soweit so gut oder doch nur unverbindliches Blablabla? Zwei Monate später bemerkte die werte Frau Ministerin, dass mit der bisherigen politischen Weichenstellung die Klimaschutzziele 2020 nicht erreichbar sind. Und da sich die Politik in solchen Situationen immer an alle vermeintlichen Strohhalme klammert, musste also eine neue Verordnung her, die fossile Produkte zur Erfüllung der THG-Quote in Deutschland zulässt. Schönrechnung und Trickserei! Der blanke Hohn! Eine Fehlentscheidung jagte die nächste! Dabei hatte insbesondere Herr Staatssekretär Jochen Flasbarth stets eisern an seiner Politik GEGEN Biokraftstoffe festgehalten und lediglich den Ausbau der E-Mobilität als Weg zum Erreichen der Klimaschutzziele anerkannt. Nur zu blöd, dass der deutsche Bürger keine Elektroautos will, was ein auch weiterhin mehr als bescheidener Marktanteil von 1,3 Prozent – trotz Subventionen – unschwer erkennen lässt(4).
Man könnte meinen, die Zahlen sprechen für sich. Aber nein, die „Oberstromer“ im Bundesumweltministerium ignorierten die geringe Nachfrage an Elektroautos und verschlechterten obendrein mit der 38. BImSchV die Rahmenbedingungen für die Biokraftstoffe als eine sofort verfügbare Alternative aus dem Dilemma. Inzwischen ist die GroKo Berg- und Tal-Bahnfahrt vorbei. Das Ministerkarussell hat ausgedreht. Frau Svenja Schulze hat als neue Umweltministerin ein schweres Erbe angetreten. Sie übernimmt das Steuer einer desolaten und verfehlten Umwelt- und Verkehrspolitik, die sich selbst in eine Sackgasse manövriert hat. Den Rückwärtsgang hatte Frau Hendricks schon eingelegt, als sie in den GroKo-Sondierungen die Klimaziele 2020 bereitwillig opferte. Wird Frau Schulze den eingeschlagenen Kurs fortsetzen und mit Vollgas einfach weiter zurückrudern? Oder versucht sie wagemutig eine Wende unter schwierigsten Voraussetzungen? Hat so ein Manöver überhaupt noch eine Chance? Sehr geehrte Frau Schulze, Ihnen als neue Bundesumweltministerin sei an dieser Stelle klar und deutlich versichert: Das Klimaziel 2020 war nicht zu hoch gesteckt. Insbesondere im Verkehrssektor ist die deutsche Biokraftstoffindustrie mit innovativen Biokraftstoffen der ersten UND zweiten Generation zu wesentlich höheren Treibhausgaseinsparungen in der Lage. Die Politik hat in den letzten Jahren nur die falschen Rahmenbedingungen geschaffen! Einzig die Berg- und Talfahrt der politischen Entscheidungen hat dazu geführt, dass der Bioanteil an den Kraftstoffen, insbesondere am CNG, wieder drastisch sinken könnte. Damit werden die Milliardeninvestitionen in Biokraftstoffanlagen zu Abschreibungsruinen. Die innovativen Technologien „made in Germany“ wandern ins Ausland ab. Was ist denn das für eine willkürliche Kapitalvernichtung?! Schauen Sie sich den Scherbenhaufen an, den die Trickserei Ihrer Vorgängerin in unserer Branche hinterlassen hat! Bitte denken Sie nach, Frau Schulze: Wer soll denn das geplante Klimaschutzgesetz 2030 erfüllen, wenn keiner der heutigen Investoren und Hersteller bereit ist, dieses Spiel weiter mitzuspielen? Game over! Dann bleibt Ihnen wirklich nur noch der Rückwärtsgang in Sachen Klimaschutz. Oder Sie wenden mutig und risikobereit genau JETZT, Frau Bundesumweltministerin! Auch in Sachen Umweltbilanz liegt der CNG-Antrieb deutlich vorn: Trotz Verbrennungsmotor reduziert sich mit CNG als Kraftstoff der Feinstaub- und Stickoxid-Ausstoß um mehr als 90 % im Vergleich zum Dieselbetrieb. Wenn die CNG-Busse mit Biomethan aus Reststoffen, wie z. B. Stroh (verbiogas) betankt werden, erreichen Sie darüber hinaus bis zu 90 % CO2-Einsparung in der Umweltbilanz. Ein Wert, der beim E-Antrieb nur dann sichergestellt werden kann, wenn 100 % erneuerbarer Strom eingesetzt wird. Derzeit tragen aber nur ca. 30 % erneuerbare Quellen zum deutschen Strommix bei. Dabei gibt es deutsche Städte, die bereits vormachen, wie es besser geht. Nehmen wir z. B. Augsburg: Hier fährt die gesamte Flotte von ca. 100 Stadtbussen seit fünf Jahren mit CNG-Antrieb und 100 % Biomethan von VERBIO – und ist damit nahezu CO2-neutral unterwegs. Eine bayrische Provinzstadt ist ökologisch fortschrittlicher und damit auch noch sparsamer als unsere Bundeshauptstadt! Die hat ja ihr Feigenblatt wahlkampfkonform gefunden und ignoriert getrost die Augsburger Erfolgsgeschichte. Genauso wie meine mehrfache Gesprächsbitte an Regine Günther ignoriert wird. Dabei habe ich ein attraktives Angebot für die Berliner in petto: verbiogas aus 100 % Stroh zu attraktiveren Konditionen, als sie mit dem Standard-Dieselbus-Betrieb erreicht werden können. Achtung, Berlin: Reden hilft und zwar mit Fakten auf dem Tisch und mit ungeschminkten Worten! „Weil wir Dich lieben“ – mit dieser Aussage wirbt die BVG und verpestet gleichzeitig tagtäglich vorsätzlich die Berliner Luft. Dieser unumstößlichen Tatsache müssen sowohl Senatorin Günther als auch Bürgermeister Müller endlich ins Auge sehen. Deshalb mein Aufruf zu einer wahren Liebeserklärung an die Stadt: Umsteigen auf CNG-Mobilität!
Zur Person:
Claus Sauter
Gründer & Vorstandsvorsitzender VERBIO Vereinigte BioEnergie AG und BioEnergie-Experte ...und Partner des CNG-Club e. V.
(1) VERBIO Vereinigte BioEnergie AG, Stand Januar 2018 (2) Die deutsche Gesetzgebung legt fest, dass aktuell eine Treibhausgaseinsparung von vier Prozent mit allen in Verkehr gebrachten Kraftstoffen erreicht werden muss, die in 2020 auf sechs Prozent ansteigt. (3) Rede zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Ausstieg aus der Kohleverstromung am 21. November 2017 (4) Center of Automotive Management, 1. Halbjahr 2017