Was war das doch für eine Freude, als 2019 dank massiver Fördergelder der Bau einer Wasserstofftankstelle in Wiesbaden aufgenommen wurde und dazu 10 passende Busse bestellt wurden. Damit sollte der Busverkehr zwischen Wiesbaden, Mainz und Frankfurt endlich emissionsfrei erfolgen!
Zwar heißt das übliche treibende Schreckgespenst "CO2-Ausstoß" und nicht Emissionsfreiheit, aber als Landeshauptstadt muss man natürlich weiter in die Zukunft sehen, wie schon der zugehörige Slogan besagt.
Als weg mit den ollen Diesel-Bussen, keinen Gedanken an kostengünstige BioCNG-Lösungen wie zum Beispiel in der Stadt Gießen verschwenden, sondern voll auf Elektromobilität in allen Spielarten umschwenken.
Dummerweise klappte es dann so gar nicht mit den schönen Wasserstoffbussen. Sie wurden einfach nicht geliefert. Wie gemein! Der grüne Umweltminister Al Wazir musste die H2-Tankstelle 2020 also sichtlich angesäuert mit einem in der Not schleunigst beschafften Leihbus eröffnen. Doch da man immer positiv denken soll, freute er sich, dass immerhin schon mal die Tankstelle da war. Dies veranlasste den Hessischen Rundfunk zu einer entsprechenden Meldung und auch der Autor wurde nach mehreren kommunikativen Kontakten zu den Verantwortlichen aktiv: Die Sendung "Extra 3 - der reale Irrsinn", widmete dem Thema dann einen satirischen Beitrag. Kurz, aber trotzdem schmerzhaft, coronabedingt waren leider keine zusätzlichen Recherchen vor Ort mehr möglich.
Wenigstens durfte der improvisierte H2-Bus ein Jahr ausgeliehen werden und schon fast zwei Jahre später Ende 2021 rollten die ersten H2-Busse in der Landeshauptstadt.
Das Elektro-Revolutiönchen
Da H2 aber nicht alles ist, wurden auch reichlich Elektrobusse geordert, man hat ja seine Ansprüche (sowie das Geld der Steuerzahler). Doch o weh, auch dieses Projekt stand - trotz Mercedes - unter keinem guten Stern. Dank bescheidener Reichweite und Sicherheitsproblemen im Batteriebereich wurden schon im März 2021 zwei Drittel der 31 Busse vorübergehend stillgelegt. Als Ersatz wurden flugs die alten Dieselbusse aus der Versenkung geholt - wen interessiert schon "Emission", wenn es um die Praxis geht.
Doch damit des Unbills nicht genug. Nach dem März-Pressebericht von FFH legte schon im Juni '21 die FAZ nach: "Traum von der E-Busflotte geplatzt" titelte das Blatt, und dabei ging es zur Abwechslung noch nicht einmal um neue technische Probleme, sondern schlicht um Planung und Logistik, neben dem Beschaffungswesen offensichtlich eine Paradedisziplin in Wiesbaden. Denn es fehlte damals nicht nur an der Marktverfügbarkeit von E-Gelenkbussen (aber man kann ja mal proaktiv so etwas ausschreiben!), sondern auch am verfügbaren Platz und der Infrastruktur für die zusätzlichen Solobusse auf dem Betriebshof der städtischen Busgesellschaft ESWE-Verkehr. Tja, wer konnte denn damit rechnen, wo man doch extra wieder etwas total Visionäres geordert hatte.
Da die Wiesbadener Bürger zwischenzeitlich zumindest auf einem Streckenbereich dem künftigen Einsatz von Straßenbahnen widersprochen haben, bleibt es also ausschließlich beim Busverkehr. Der freie Blick nach oben, wenn auch nur zum Augenrollen, ist ja auch hübscher als auf hässliche Oberleitungen zu gucken oder von quietschenden Schienenfahrzeugen in seiner Seelenruhe gestört zu werden. Hauptsache, man hat noch genügend Dieselbusse.
Mittlerweile sind viele Monate vergangen und es blieb tatsächlich ziemlich still um das formidable Zukunftsprojekt. Wer dabei an so etwas wie schlafende Hunde denkt, dürfte nicht ganz falsch liegen. Denn Anfang Dezember schafft es die Null-Emissions-Illusion erneut in die Schlagzeilen, diesmal der Frankfurter Rundschau und in der FAZ. Die nach Rückgabe des Leihbusses verbliebenen 10 H2-Flaggschiffe befinden sich schon seit Wochen im Dämmerschlaf, da nun ein dringend benötigtes Ersatzteil der defekten Tankstelle nicht lieferbar ist. Zugegeben, das kennen wir auch stellenweise von unseren CNG-Stationen, aber da gibt es in aller Regel Ausweichmöglichkeiten und man kann trotzdem mit dem klima- und umweltschonenden Kraftstoff weiterfahren.
Allerdings droht der einstigen Leuchtturm-Vision demnächst weiterer Ärger und dem zwischenzeitlichen Ruhemodus könnte sogar noch der Ruhestand folgen. Denn die Erwartungen, pardon Hoffnungen, von 2019 hätten sich nicht erfüllt und deshalb kommt das H2-Projekt nun auf den Prüfstand. Aber zum Glück gibt es auch gute Nachrichten: Es wurden neue Dieselbusse bestellt. Wenn das mal kein Zeichen für echten zukunftsweisenden Klimaschutz ist!
Update 11.09.2024:
Nach den Pleiten, Pech und Pannen in Wiesbaden hat vor kurzem die benachbarte Landeshaupt Mainz den Rest der gestrandeten H2-Busflotte übernommen.
Über die entstandenen Kosten herrscht natürlich einvernehmliches Stillschweigen, vermutlich möchte man den Steuerzahler, der das Experiment über etliche Fördermillionen und die Stadtsäckel mitfinanziert hat, nicht erschrecken. Der bisher bekannte Preisverfall im Rahmen des vermeintlichen Vorzeigemodells lässt zumindest nichts Gutes ahnen.
Doch auch andere in nah und fern tun sich schwer bei der Einführung dieser Zukunftstechnik, Beispiel Bremervörde.
Der despektierlich oft so genannte "Champagner der Energiewende" bereitet in allen möglichen Einsatzszenarien Anlaufprobleme. Zur Abwechslung liegt es hier mal an der mangelnden Verfügbarkeit des einfachen Wunderstoffs, von grünem H2 ganz zu schweigen. Aber auch das ist nichts Neues – sondern einfach Zukunftsmusik...
Update 17.04.2024:
Bei Kommunen ist gerade Kostensparen angesagt. Nach dem aktuellen Förderstopp des Bundes wird vor einer riesigen Finanzierungslücke im ÖPNV gewarnt, die zu erheblichen Fahrplaneinschränkungen führen werde. Die o.g. Vorzeigestadt ist da wieder einmal einen Schritt weiter, wie der Hessische Rundfunk meldet, und ESWE Verkehr reduziert schon jetzt das Fahrplanangebot aufgrund der Kassenlage und hoher Verluste. Wo die wohl herkommen...?
Update 25.03.2024:
Kürzlich thematisierte die FAZ die weiteren Folgen des Scheiterns der H2-Vision für den Busverkehr in Wiesbaden: Beim Verkauf der Wasserstoffbusse müssen nun empfindliche Einbußen hingenommen werden. Der genaue Übernahmepreis ist zwar geheim, aber das Angebot der Mainzer Mobilität, die die Hälfte der zehn neuwertigen Busse übernimmt, lag ein Drittel unter dem Einkaufspreis von 600.000 Euro je Bus. Ähnliches dürfte für die Wasserstofftankstelle gelten, die im Sommer die Rheinseite wechseln soll. Auch für die restlichen fünf Busse gibt es mittlerweile wohl einen Käufer, Details sind aber auch hier nicht bekannt. Definitiv wird das Ganze zu einem Millionen-Fiasko für ESWE Verkehr sowie die Steuer- und Gebührenzahler. Viel Geld für nichts!
Update 14.12.2022:
Wie heute vormittag in der Hessenschau bekannt gegeben wurde, stellt Wiesbaden bzw. ESWE das Wasserstoffbus-Projekt komplett ein und schafft lieber wieder Dieselbusse an. Interessant die teilweise Begründung des teuren und peinlichen Vorgehens: Es gibt keine Gelenkbusse mit H2-Antrieb, die Ladezeiten der E-Busse ziehen sich und daher reicht der vorhandene Platz nicht. Konnte man ja alles nicht wissen…
Nachtrag: Die FAZ berichtet ebenso von der Kehrtwende: Abschied vom Wasserstoff!
Zur Person:
Winfried Hackel ist seit 2003 mit CNG-Fahrzeugen unterwegs, sowohl auf vielen Straßen Europas als auch in der Community. Der Werbetexter und Italo-Fan startete mit einem familienfreundlichen Fiat Multipla BiPower, heute wird fröhlich zwischen Touran TSI EF und Seat Leon 1,4 TGI, dem Nachfolger des Panda NP, gewechselt. Neben der universellen Einsatzfähigkeit der Fahrzeuge begeistert ihn bei der CNG-Mobilität die perfekte Kombination aus Klima- und Kostenbilanz mit BioCNG.