Haben Sie’s mitbekommen? Die Ampel hat jetzt eine Strategie. Es ist die China-Strategie. Es ist nämlich inzwischen aufgefallen, dass China nicht nur „Partner“ und „Wettbewerber“ ist, sondern auch „systemischer Rivale“. China betreibt seit Jahrzehnten intensiv Wirtschaftsspionage, und erinnern Sie sich an unsere Solar-Industrie? Die war plötzlich in China. Das hat natürlich zu tun mit unseren Regeln und den Kontrollen, die wir hier haben. Beziehungsweise: eben nicht haben. Damit zur deutschen Biokraftstoffbranche. Die steht nämlich kurz vor dem Kollaps. Chinesischer Biosprit flutet derzeit den Markt. „Na und?“, könnte man denken, „ist halt Wettbewerb.“ Aber dieser Wettbewerb ist nicht fair Denn China flutet uns mit Kraftstoffen, die biozertifiziert sind, es aber nicht sein dürften. Der Wirtschaftsverband en2x für Fuels und Energie spricht deshalb von „mutmaßlich betrügerischen Aktivitäten“. Sehr gut erklärt das auch der Branchenkenner und VERBIO-AG-Vorsitzende Claus Sauter im Podcast #Strohklug.

 

Was für ein Glück: China liefert!
Die Mineralölwirtschaft muss ja Quoten zu ihren Treibhausgas-Emissionen (THG)  erfüllen. Deshalb muss sie umweltfreundlichen Biosprit zumischen. Für diesen Biosprit gibt es ein Punktesystem zur Umweltfreundlichkeit. Und da hat die Bundesregierung eine Idee gehabt: Sprit aus „Fortschrittlichen Biokraftstoffen“ wird mit doppelter Punktzahl angerechnet! „Fortschrittliche Biokraftstoffe“ stammen aus Altfett, Reststoffen und Waldholz, weil da „geringere negative Wirkungen auf Landnutzungsänderungsprozesse erwartet werden als bei Biokraftstoffen der ersten Generation wie Raps, Getreide oder Palmöl“, sagt das Bundesamt für Naturschutz. Damit war klar: Sprit aus Raps oder Palmöl = wenig Punkte. Sprit aus Rest- und Abfallstoffen = viele Punkte! Und das Beste: Billig sind die vielen Punkte auch noch! Und China – was für ein Glück – liefert von einem Tag auf den anderen genau diese „Fortschrittliche Biokraftstoffe“ in rauen Mengen und zum kleinen Preis: Für die Mineralölkonzerne war das wie Weihnachten. Im ersten Quartal 2023 hat China rund 675 000 Tonnen geliefert: doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Dass China in so kurzer Zeit so gewaltig produzieren kann, glaubt in der deutschen Branche kein Mensch. Dafür braucht man spezielle Biodiesel-Produktionsanlagen, aber sogar in China dauert ein solcher Bau Jahre.

 

Palmöl-Einfuhr glatt versechsfacht
Und deshalb glaubt der Rest der Branche, dass dieser zertifizierte Biodiesel in Wahrheit von ganz woanders herkommt: Aus Palmöl zum Beispiel. Palmöl ist billig. Aber Palmöl ist das genaue Gegenteil von „Fortschrittlichem Biokraftstoff“. Für Palmöl wird unglaublich viel Urwald zerstört. Und jetzt raten Sie, wie viel Palmöl China im ersten Quartal 2022 importiert hat und wie viel 2023? Erst 35 000 Tonnen, dann über 160 000 Tonnen: China hat seine Palmöl-Importe nur zwölf Monaten glatt versechsfacht. Und gleichzeitig explodiert Chinas Export von „fortschrittlichem Biokraftstoff“. Sie glauben an Zufall? Natürlich nicht. Der Biodieselmarkt in Europa hat ein Volumen von rund zwölf Milliarden Euro, sagt Sauter, und China exportiert derzeit etwa acht bis zehn Milliarden: Top-Ware, superbillig, obwohl da sogar noch die Frachtkosten sind. Wie kann das sein? Kann es so sein, dass in Indonesien und Malaysia riesige Urwälder zerstört werden, weil China billiges Palmöl als Biodiesel zertifiziert und dann mit den Mineralölkonzernen riesige Gewinne damit macht?


Wie reagiert die EU?
Unserer eigenen Biosprit-Branche wird damit der Hals gebrochen, und im Handel mit den THG-Quoten brechen die Kurse ein. Die sollten ja hoch sein, weil die Konzerne damit für ihren CO2-Ausstoß zahlen. Aber seit China den Markt überschwemmt, haben sie sich glattweg halbiert. Das freut die Konzerne. Dazu der Schaden für unsere Landwirte: Raps hat vor einem Jahr etwa 1 000 Euro gekostet, und jetzt keine 500 mehr.


Und was macht da die EU? Monatelang nichts. Bisher hat eine Selbsterklärung aus China gereicht: „Hallo Freunde, wir haben extra für euch furchtbar hübsch zertifiziert, ist das nicht toll?“   Man würde nicht glauben, dass man uns so leicht so einen Bären aufbinden kann. Aber man kann. Weil wir offensichtlich sagen: „Kontrollen? Warum? China ist doch immer noch Partner, Partnern muss man doch vertrauen.“ China sagt nicht, dass wir „systemischer Rivale“ sind. Aber es behandelt uns so. Aber ganz zum Ende jetzt die gute Nachricht: Vor einer Woche hat die EU angekündigt, dass sie jetzt untersuchen will, ob es denn möglich sein kann, dass indonesisches Palmöl über China unter Umgehung der EU-Vorschriften als Biokraftstoff in der EU landet. Was mit den Mineralölkonzernen passiert, die Chinas Spiel mitgespielt haben, ist aber noch völlig unklar. Ich zitiere dazu Claus Sauter, der diesen Fall „nur die Spitze des Eisbergs“ nennt: „Jede Regel ist nur so gut wie ihre Kontrolle. Was passiert in Zukunft mit dem Import von vermeintlich erneuerbarem Wasserstoff, grünem Stahl oder CO2-armen Chemikalien, wenn möglichem Betrug keine strikten Grenzen gesetzt werden?“

 

Zur Person:

Hans Ritt ist Unternehmer und ehrenamtlicher Vorstand im CNG-Club e. V.. Umwelt- und Klimaschutz liegen dem selbstständigen Kaminkehrermeister und Energieberater von Natur aus am Herzen. Aus diesem Grund hat er sich privat wie im Firmenfuhrpark für den CNG-Antrieb (vier Fahrzeuge) - neben einem E-Auto -entschieden und setzt sich auch als MdL a.D. im Bayerischen Landtag konsequent für die CNG-Mobilität ein.